Der Insolvenzverwalter John Ray, der das bankrotte Krypto-Imperium um FTX und Alameda Research abwickeln soll, beschreibt in einer Bestandsaufnahme für das Gericht die chaotische Situation. Details sind schockierend.
Falls noch jemand an eine schnelle Rettung der zahlungsunfähigen Kryptobörse FTX und verknüpfter Unternehmen glauben sollte, wird durch Gerichtsunterlagen eines Besseren belehrt. Der vor einer Woche eingesetzte Insolvenzverwalter John Ray hat nämlich gestern auf 30 Seiten eine erste Bestandsaufnahme geliefert und diese zeichnet ein erschreckendes Bild. Ray stellt seinen Erkenntnissen quasi als Präambel die Bemerkung vor, er habe in 40 Jahren Berufserfahrung noch nie ein solches “Komplettversagen” erlebt und bezieht das auf interne Kontrollmechanismen sowie das “völlige Fehlen vertrauenswürdiger finanzieller Informationen”. Ray hat unter anderem den Fall Enron betreut, wo Bilanzfälschungen 2001 einen der größten Wirtschaftsskandale der US-Geschichte auslösten.
Im Krypto-Imperium von Sam Bankman-Fried hat laut Ray eine “sehr kleine Gruppe von unerfahrenen, naiven und möglicherweise kompromittierten” Personen das Regime geführt. Selbst zu scheinbar einfachen Details wie Angestelltenzahl habe er als Insolvenzverwalter bisher keine stichhaltigen Informationen geliefert bekommen. Dennoch versucht Ray seine Aufgabe gerecht zu werden und teilt dafür die Überbleibsel des Firmengeflechts um FTX in vier Gruppen ein, die er als “Silos” bezeichnet. Dabei gebe es überhaupt nur für zwei Gruppen extern geprüfte Finanzberichte aus der Vergangenheit, zum einen für FTX.com aus dem Jahr 2021 und zum Zweiten für das US-Geschäft von FTX, ebenfalls aus 2021. Für den früher milliardenschweren Investmentarm Alameda Research konnte Ray keinen einzigen Quartalsbericht finden, der von externen Buchprüfern attestiert worden sei.
So trägt Ray zwar vorläufige Zahlen zusammen, bemerkt aber ausdrücklich, dass er diesen selbst kein Vertrauen schenken könne. Im Bericht ist nachzulesen, dass das gesamte Konglomerat von 130 Firmen um FTX und Alameda Research derzeit noch rund 560 Millionen US-Dollar liquide Reserven besitzen könne. Dem stehen offenbar Verbindlichkeiten in Milliardenhöhe entgegen, wobei auch Ray momentan nicht genauer beziffern kann, welche Summen von Kundengeldern in dem Chaos verschwunden sind. Was Ray aber bestätigt: Als FTX am 11. November Insolvenz anmeldete, wurden kurz danach noch knapp 400 Millionen US-Dollar “unautorisiert” abgezogen, möglicherweise durch einen Hack. Dazu kommen FTX Token (FTT) für etwa 300 Millionen US-Dollar, die unerlaubt generiert und nach außen transferiert wurden, so Ray.
Fazit: Milliardengrab FTX – juristische Aufarbeitung startet
Es wird vorhersehbar Woche und Monate dauern, bis Ray und sein zu bestellendes Team eine verläßliche Übersicht dazu haben, was bei FTX und verknüpften Unternehmen noch für die Entschädigungskasse zu holen ist. Momentan sah sich Ray sogar gezwungen, über den offiziellen Twitter-Account von FTX klarzustellen, dass er alleiniger Ansprechpartner ist und der zurückgetretene Sam Bankman-Fried nichts mehr zu sagen hat. SBF machte in dieser Woche mit verworrenen Tweets und Interviews von sich reden und träumte noch von Investoren, die sein Imperium retten könnten. Doch in Wirklichkeit verhandeln Behörden aus den USA und den Bahamas (wo sich SBF aufhält) über eine Überstellung und die Zusammenlegung von Insolvenzverfahren.
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