Bitcoin (BTC) wird von Anlegern oft mit dem Argument “Inflationsschutz” vor anderen Anlageklassen bevorzugt. Aber rechtfertigt das “digitale Gold” Ende 2022 dieses Attribut noch?
Bitcoin (BTC) hat sich spätestens seit Mitte 2020 zu einer weit beachteten Anlageklasse entwickelt. Als das Auftauchen des Corona-Virus Regierungen weltweit dazu veranlasste, mit riesigen Hilfspaketen die heimischen Volkswirtschaften zu stützen, ahnten Experten bereits: Die politisch gewollten Aufblähungen von Geldmenge in den führenden Fiat-Währungen wird über kurz oder lang zu Inflation führen. Bitcoin mit einer auf 21 Millionen festgelegten Höchstzahl von BTC empfahl sich in diesem Umfeld als Inflationsschutz. Großinvestoren wie MicroStrategy begründeten das Umschichten von Geldreserven in Bitcoin mit Schutz vor Inflation. Wer vor dem Dezember 2020 BTC kaufte, bezahlte pro Bitcoin weniger als 18.000 US-Dollar und liegt damit in seinem Investment auch jetzt noch im Plus.
Aber der große Zulauf von Kapital zu Bitcoin ist ins Stocken geraten, aktuell notiert BTC bei gut 19.000 US-Dollar und die Allzeithochs von über 60.000 US-Dollar aus dem Jahr 2021 sind (vorerst) Geschichte. Gleichzeitig aber erreicht die Inflationsrate bei Fiat-Währungen von US-Dollar bis Euro Rekordstände, die Teuerung bei Energiepreisen durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine tut ihr Übriges. Warum funktioniert dann die Theorie nicht mehr, dass Bitcoin schon durch sein Konzept vor Inflation schützt? Experten nennen diverse Faktoren, welche Einfluss üben:
1. Der US-Dollar beweist sich in Krisenzeiten wieder einmal als globale Leitwährung. Euro, Yen und Pfund haben seit Jahresanfang gegen US-Dollar an Wert verloren, teils in Prozent zweistellig. Der US-Dollar gewinnt das Vertrauen von Anlegern und Sparern durch das mächtige Militär und die Bereitschaft der USA, ihre Währung unter allen Umständen abzusichern. Bitcoin kann momentan eine solche Vormachtstellung allenfalls für den Krypto-Markt beanspruchen, doch auch da sind Investments in BTC in anderen Fiat-Währungen als US-Dollar durch Abwertungen riskanter geworden.
2. In der Corona-Krise wurden Hilfsgelder verteilt, welche in vielen Haushalten nur bedingt gebraucht wurden und so teils auch Richtung Bitcoin als Anlage flossen. Doch die jetzige Inflation trifft den Durchschnittsbürger direkt und selbst neue Hilfsgelder sind so quasi dafür reserviert, Lebenskosten abzusichern. Hier ist kein schneller Investment-Impuls für BTC zu erwarten.
3. Als klassische Anlageklassen für Inflationsschutz gelten Immobilien, Gold und Staatsanleihen. Außerhalb der Kryptoszene ist Bitcoin immer noch ein Exot. Der Goldpreis zeigt sich verhältnismäßig stabil, Staatsanleihen werden jetzt durch Zinserhöhungen bei den Zentralbanken wieder interessanter und der Immobilienmarkt behauptet sich.
4. Wenn man Bitcoin unter dem Aspekt Inflationsschutz betrachtet, ist der Zeitraum ab 2020 zu nehmen, weil erst dann die Marktkapitalisierung BTC zu einer ausreichend liquiden Anlageklasse machte. Doch zwei oder drei Jahre sind eine viel zu kurze Periode, um die These vom Inflationsschutz zu prüfen. Hier sollte man Strategien über eine Warte von einem Jahrzehnt oder länger entwickeln und demnach steckt Bitcoin aktuell in einer Zwischenphase. Der Wert von BTC als Inflationsschutz werde sich erst mittelfristig voll entfalten, meinen viele Bitcoin Befürworter.
5. 2022 ist für Bitcoin und Co. generell ein schlechtes Jahr, weil der Zusammenbruch des Ökosystems um Terra (LUNA) Kettenreaktionen für die Kryptoindustrie in Gang setzte. Hacks, der Einfluss von Regulierungsbehörden, die Diskussion um den Energieverbrauch von BTC – all das sind weitere Details, welche dem Image von Bitcoin nicht gut tun.
Anderseits zeigte auch unser Marktreport von Ende 2021, dass Großanleger weiter in Krypto engagiert bleiben und zu Nachkäufen neigen. Dabei wird zunehmend Ethereum (ETH) in Betracht gezogen, weil der zweitgrößten globalen Kryptowährung durch Weiterentwicklung (Stichwort: “The Merge“) mehr Preissteigerung als Bitcoin zugetraut wird.
Fazit: Globale Inflation – was ist von Bitcoin zu erwarten?
Die Psychologie der Märkte spricht derzeit nur bedingt für Bitcoin als Schutz vor Inflation – aber es ist wohl zu früh, um abschließend zu urteilen. Der Börsenwert etwa von MicroStrategy ist seit der Entscheidung, dort BTC als Inflationsschutz zu propagieren, gestiegen und beträgt im Oktober 2022 immer noch rund das Doppelte als vor den im Sommer 2020 begonnenen Investments. Während nicht nur in Europa Rezession aufzieht, schauen Optimisten bereits auf die Zukunft mit der Erwartung, dass sich die Weltwirtschaft stabilisiert und Inflation eingedämmt werden kann: Dann sollte auch für Bitcoin wieder der Weg frei sein für nachhaltige Preissteigerungen.
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