Noch ist Libra, die Kryptowährung von Facebook, nicht einmal gestartet. Aber die klassische Finanzwelt sieht sich bereits herausgefordert. In der EU wollen Banken nun konzertiert daran arbeiten, Überweisungen in Echtzeit zum Regelfall zu machen.
Kennst Du die Situation, in der Du eine Überweisung ausführst und das Geld beim Empfänger erst einen Tag später ankommt? Oder hast Du selbst schon mal stundenlang darauf gewartet, bis angewiesenes Geld auf Deinem Konto gutgeschrieben wurde? Herzlich willkommen bei einem Thema, um das sich die Banken bislang gerne herumgedrückt haben. Es ist im Grunde unglaublich, dass im 21. Jahrhundert und mit den Möglichkeiten des Internets eine einfache Euro-Überweisung nicht immer sofort passiert. Jetzt aber wollen die Banken Echtzeitüberweisungen im Euro-Raum bis Ende 2020 als Regelfall sicherstellen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Das Vorhaben hängt demnach eng mit Facebook Libra zusammen. Bevor die angekündigte Kryptowährung von Facebook Kunden abziehe, müsse man selbst handeln, sagen die Branchenverbände der Banken plötzlich.
Was ist eigentlich das Problem mit Sofort-Überweisungen?
Ein Blick auf die Situation in der klassischen Finanzwelt lässt internetaffine Menschen grundsätzlich schaudern. Da gibt es allein in den 17 Euro-Staaten diverse Computersysteme und Prüfinstanzen, über die Geldtransfers von einer Bank zur anderen abgewickelt werden. Zwar existiert mit dem Europäischen Zahlungsverkehrsausschuss (EPC) prinzipiell eine Einrichtung der Banken, die solche Überweisungen von Bank zu Bank sofort organisieren soll, auch über Grenzen hinweg. Doch gerade gut 50 Prozent der Banken haben ihre internen Systeme mit EPC verbunden. Ein immer wieder kolportierter Grund dafür: Solange das Geld noch bei einer Bank lagert, kann sie es für ihre eigenen Geschäfte verwenden. In der Eurokrise wollten Banken sich untereinander sogar kaum mehr Geld leihen, es herrscht Misstrauen. EPC als Klärungsinstanz mit Fokus auf Privatkunden hinkt seinem Ziel von Echtzeitüberweisungen weiter hinterher.
Warum Facebook Libra für Tempo sorgt
Facebook Libra als eine auf einer Blockchain basierenden stabilen Kryptowährung wird Geldtransfers in Echtzeit global realisieren. Großbanken wie Deutscher Bank, Societe Generale und Santander befürchten, dass ihre Kunden auf Facebook Libra ausweichen, um Zeitverlusten bei Überweisungen aus dem Weg zu gehen. “Die Uhr tickt”, sagt EPC-Chef Etienne Goosse. Neben EPC sind etwa EBA Clearing, TIPS und Dutch Payment Association tätig als Dienstleister für Bank-zu-Bank-Überweisungen. Jetzt müssen die Systeme endgültig miteinander verknüpft werden, gibt Goosse vor. Privatkunden seien die eine Sache, die andere Herausforderung bestehe in Geschäftskunden, die ebenfalls wirkliche Echtzeitüberweisungen fordern. Facebook Libra als Konkurrent im Nacken sorgt demnach für Beschleunigung bei den Plänen, die EPC eigentlich schon immer verfolgen sollte.
Konkurrenz durch Facebook Libra tut Banken gut
Wer sich anschaut, wie schwer sich deutsche Banken beispielsweise damit tun, Apple Pay für Girokonten zu integrieren, weiß, wie konservativ die Branche tickt. Für grenzüberschreitende Überweisungen gilt nach wie vor eine Mentalität, bei der an Wochenenden geschlossen ist und sonst pünktlich um fünf Uhr Feierabend gemacht wird. Mit dem, was technisch möglich ist, hat das alles nichts zu tun, schon gar nicht in einem einheitlichen Währungsraum wie der Euro-Zone. Bei aller Skepsis zu Facebook Libra: Aus Sicht von Bürgern und Business ist es zu begrüßen, dass Konkurrenz entsteht, mit der Blockchain-Lösungen in der Finanzwelt praktisch demonstriert werden und dadurch klassische Banken, die sich wie Monopolisten verhalten, zu Reformen antreibt.
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