Das auf Solana (SOL) aufbauende DeFi Protokoll Solend ist in gefährliche Schieflage zu geraten. Nun sollen dort in aller Eile Regeln geändert werden, um massive Liquidationen zu verhindern.
Die Kryptoszene ist nervös wie selten, seit dem Crash von Terra und UST scheinen sich auch an anderen Schauplätzen in hoher Taktfolge Systemrisiken zu offenbaren. Bei der Plattform Celsius sind seit einer Woche Abhebungen unterbrochen und beim Hedgefonds Three Arrows Capital (3AC) ist offenbar Zahlungsunfähigkeit eingetreten. Jetzt macht Krypto-Analyst Miles Deutscher per Twitter auf Solana (SOL) und das DeFi Protokoll Solend aufmerksam, wo sich eine weitere unheilvolle Situation zusammenbraut.
Aufhänger ist ein Großanleger, der bei Solend 108 Millionen US-Dollar in Stablecoins geliehen hat und dafür 5,7 Millionen Solana (SOL) als Sicherheiten hinterlegt hat. Doch weil Solana zuletzt deutlich an Wert verloren hat, droht dem Whale die Liquidierung seiner riesigen Position. In dem Fall würde unter Umständen auch Solend in sich zusammenbrechen und Anlegergelder unter sich begraben. Deshalb wird bei Solend über Vorschläge diskutiert und abgestimmt, wie Regeländerungen das Systemrisiko behoben werden kann. Nicht nur Miles Deutscher sieht in dem Vorgang ein Paradebeispiel dafür, was in der Sparte DeFi schief laufen kann.
Denn das Team von Solend preschte zunächst mit einem Vorschlag vor, die Position des Whales händisch abzubauen. Für diese Idee stimmte eine deutliche Mehrheit der Teilnehmer eines entsprechenden Referendums – doch es zeigte sich, dass ein einzelner Account für rund 90 Prozent aller abgegeben Stimmen stand. Als prominente Krypto-Stimmen wie Cobie, Binance CEO CZ und FTX CEO Sam Bankmanager-Fried über Scheindemokratie zu spotten begannen, reagierte Solend umgehend. Aufgrund eines zweiten Vorschlags wurde beschlossen, die Ergebnisse des ersten für ungültig zu erklären und nach einer anderen Lösung für die mögliche Liquiditätkrise zu suchen.
Solend muss Abhebungen in USDC wegen Notsituation blockieren
Dieser dritte Vorschlag von Solend steht aktuell zur Abstimmung und sieht vor, eine Höchstgrenze von 50 Millionen US-Dollar für Kredite einzuführen und zeitweise die Bedingungen bei Liquidierungen von Positionen aufzuweichen. Der Großanleger, um den sich die Geschichte im Grunde dreht, reagiert derweil nicht auf Kontaktversuche. Solend hat Abhebungen für den Stablecoin USDC temporär blockiert und nimmt damit Kleinanleger quasi in Sippenhaft. Da sich momentan der Kurs von Solana wieder etwas erholt hat, ist die Gefahr eines Crash gesunken. Doch falls SOL auf ein Niveau von um 22,30 US-Dollar fallen sollte, wäre Solend bei den alten Regeln durch einen einzigen Investor in die Knie gezwungen worden.
Es zeigen sich konzeptionelle Schwachstellen, die nicht nur Solend betreffen. Bei eiligen Abstimmungen ist es wahrscheinlich, dass einzelne Anleger mit großen Guthaben und entsprechender Stimmkraft die Strategie in ihrem Interesse festlegen. Auch fühlen sich diejenigen verschaukelt, die darauf pochen, Regeln in einem DeFi Protokoll nicht im Nachhinein zu ändern, selbst wenn diese eine Vielzahl von Verlieren produzieren könnten. Schlagwörter wie “Transparenz” und “echte Dezentralisierung” sind hier zu hören. Ein Kommentator bemerkt zynisch: “Erst habe ich mein Geld in Krypto umgeschichtet, um der Bankenkontrolle zu entgehen. Jetzt nutze ich DeFi, wo zufällig zusammengewürfelte Entwickler über mein Geld bestimmen.”
Fazit: Solend unter Druck – Lehrstück für die deFi Sparte
Kritik an Solana hat sich auch schon früher daran festgemacht, dass Whales das Sagen haben. Solend macht nach den Daten von DeFiLlama den größten Einzelposten für DeFi unter Solana aus und ein Kollaps würde dementsprechend Schockwellen ausstrahlen. Auch wenn es Solend diesmal noch gelingen sollte, mit Vorschlag Nummer Drei die kritische Situation zu entschärfen – ein fader Beigeschmack bleibt. Denn das dezentrale Prinzip von DeFi ist bei Solend und Solana beim genaueren Hinsehen kaum gegeben und selbst Tabubrüche wie ein händisches Eingreifen waren zumindest kurzzeitig mehrheitsfähig. Miles Deutscher fasst zusammen: Die Lage zeigt die Unterschiede zwischen dem, was Anleger bei DeFi wollen und was sie brauchen. Eine gesunde Balance zwischen Anlegerschutz und Dezentralisierung ist nach Meinung von Deutscher die Herausforderung, vor der nicht nur Solana und Solend stehen.
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